Sunday, August 31, 2014

Ostrale 2014



Diesen Spätsommer verschlug es mich zum ersten Mal zur Ostrale, der allsommerlichen Ausstellung für zeitgenössische Kunst im Dresdner Ostragehege.

Unter dem Motto "Around You" sind im alten Schlachthofgebäude am Messegelände allerlei Bilder, Fotos, Installationen und sonstige Objekte zu finden, die vom erstaunlichen Aha-Effekt bis zum "Ist das Kunst oder kann das weg?" eine große Bandbreite von Reaktionen erzeugen.

Besonderes Highlight ist meines Erachtens der Bereich SPARTNIC, wo zum grob als Weltallkunst zu umschreibenden Thema sehr interessante und mysteriöse Objekte zu finden sind. Beim Betreten des großen Raums begrüßt einem zuerst gähnende schwarze Leere, bevor nach einigen Schritten das vor einem stehende Objekt mit weißem Licht angestrahlt wird. So hangelt man sich durch das Schwarz und durchschreitet somit die unendlichen dunklen Weiten einer Kunstgalaxie, die sich in Dresden gebildet hat.

Ein zweiter herauszuhebender Abschnitt ist mit Private Nationalism überschrieben. Dort findet man viele Exponate und Videoinstallationen zum europäischen Nationalismus im Kleinen, von Landkarten mit einem Verzeichnis von Splitter-Republiken in Europa (man beachte den aktuellen Kontext!) bis zu einer Videodokumentation von zahlreichen Demonstrationen gegen Roma in der Tschechischen Republik, die sich zu handfesten Ausschreitungen mit der Polizei entwickeln.

Die Schau ist bis Ende September in Dresden zu sehen und ist für künstlerich Aufgeschlossene sehr empfehlenswert.

Die unten zu findenden Beschreibungen sind meine Schöpfung, um das dargestellte nachvollziehbarer zu machen und entsprechen nicht den Originaltiteln.

"Klebebandgraffiti"

"Stahlkissen"

"Selbstportrait"

"Schlosskette"

"Raumverpixelung"

"Minicity"

"Japanischer Raum"

"Muss nur noch rasch das Leben verstehen" lautet der Text auf den Buchseiten, der nicht geschwärzt wurde

"Das aus Mutterkuchen entstehende Leben"

"Braille"

"Licht blau-gelb"

"Je tiefer das Land versunken ist, desto höher ausgeprägt der Nationalismus"

"Unabhängige Staaten Europas im 20. Jahrhundert"

"Glühender Astronaut"

"Spiegelnde Moleküle"

Fuji X100

Sunday, August 10, 2014

Schaubudensommer - Ausgabe 2014


Der diesjährige Schaubudensommer geht heute in seinen letzten Abend, deshalb möchte ich die Gelegenheit nutzen und heute über meine Eindrücke der Ausgabe 2014 schreiben.

Ich hatte zweimal die Gelegenheit, die einmalige erwartungsfroh-entspannte Atmosphäre auf dem Kleinkunstfestival zu genießen. Das Programm hätte wie immer für deutlich mehr Besuche gereicht. Das Ambiente gestaltete sich durch die Baustelle nebenan etwas anders, denn der zentrale Platz mit den Tribünen, auf denen zwischen den Vorstellungen einfach mal die Musik oder das Russisch Koks genossen werden kann, ist deutlich kleiner geworden, dafür gab es einen zweiten, etwas versteckten Rummelplatz mit von Hand betriebenem Karussell und vielen weiteren Bühnen. Die Deko war etwas gewöhnungsbedürftig mit den neonfarbenen, grinsenden Gummipuppen, die über einem schwebten. Das Schaubudencafé versprühte aber wie immer musikalisch-malerische Kreativität und lud immer wieder zum Verweilen, sei es für ein Bier oder dem Lauschen der tollen Bands, die sich immer wieder ihren Applaus verdient hatten.

Am ersten Abend war unser Hauptziel der Auftritt von Annamateur, und das haben sich ziemlich viele Menschen so gedacht, sodass die Schlange entsprechend über den gesamten Hauptplatz määnderte. Wir entschlossen uns deshalb, erstmal zum eingewöhnen etwas zu Essen vom Falschen Hasen zu holen, der mit interessanten veganen Burgerkreationen und Wraps lockte. Dann noch schnell zum Wohnwagenkino hinübergestolpert, um den Klassiker des Hauses auf dem Berg anzuschauen. Schön wie eh, man fühlt sich beim Filmvorführer immer willkommen und bestens umsorgt. Anschließend gab es den nächsten Versuch, in den Hauptsaal der Scheune und somit zu Annamateur zu gelangen. Gleiche Situation wie zuvor. Also dann doch fix ins "Le Grand Rouge" zu dem Geheimtipp The Beez. Die Band aus DUSA (Deutschland, Australien, USA) spielt schöne und fetzige Versionen bekannter Klassiker von Queen bis AC/DC, dabei zauberte Dolores ein wenig mit ihrem roten Koffer und den weißen Punkten. Die Stimmung im proppevollen roten Zelt war tadellos. Um anschließend dann tatsächlich unser Tagesziel zu erreichen, gingen wir schnurstracks zur Annamateurschlange und damit vorbei an Muriel y Cesár, die wir im letzten Jahr mit ihren fantasievollen Geschichten aus Südamerika bestaunen konnten. Nach einiger Wartezeit, die aber auf dem Schaubudensommer immer mit dem Treffen alter und neuer Freunde verbunden ist, gelang es uns dann, vor die Bühne von Annamateur zu gelangen. Wörtlich. Denn als wir in den Saal kamen, waren alle Stühle belegt, dafür war der Gang vor der Bühne noch frei, sodass ich fast schon auf Tuchfühlung mit Anna kommen konnte... Diesmal nicht so extrem performanceartig wie beim letzten Mal, als kein gutes Haar an Facebook und seinen Nutzerinnen gelassen wurde, bekam die Volksmusik etwas ab. Die Mischung aus ihrem tollen Chanson-Gesang und Kabarett war sehr ausgewogen und absolut erheiternd, sodass auch die ärgesten Annamateur-Kritik meiner Gruppe ein Lob aussprachen. Besonders zu erwähnen ist auch Annamateurs musikalischer Unterstützer Andreas Gundlach, der einiges über und vor sich ergehen lassen musste und dennoch mit einem grandiosen Pianosolo brillierte, bei dem er erst mit Bällen statt Händen in die Tasten haute, später noch den Ball jonglierte, während er das Klavierstück souverän weiterspielte. Das Publikum war begeistert, Annamateur war zurecht ob des großen Jubels des Publikums neiderfüllt. Mit diesem Auftritt beschlossen wir den Vorstellungsabend und flanierten noch ein wenig über das Gelände, lauschten den kubanischen Rhythmen und bestaunten das manuelle Karussell.

Der zweite Abend war mit dem Besuch dreier Vorstellungen gesegnet, wovon uns zwei absolut begeisterten und eine nicht. "Das Beste zum Schluss" traf nicht wirklich zu. Aber von Beginn an: Die erste Vorstellung kam von Zero Boy aus den Staaten, der uns auf eine verrückte akustische Reise von Amerika nach Dresden, zurück nach New York und dann noch auf dem Mond nahm. Dabei wurde die Geschichte nur mit Hilfe munderzeugter Klänge und etwas Pantomime sowie einer gehöriger Portion Fantasie der Zuschauer erzeugt. Sehr anregend das Ganze. Im Anschluss verschlug es uns dann wieder in den großen Scheune-Saal zur Echse, die von Michael Hatzius zum Leben erweckt wurde. Sein Auftritt war von großer Spontanität und Improvisationskunst, mich besonders ansprechenden Humors und Interaktion mit dem gut aufgelegten Publikum geprägt. Nachdem die Echse die Handtasche einer Besucherin seziert wurde (offenbar reich, aber krank: drei Geldbörsen, viele Taschentücher, Nasenspray und Magen-Darm-Mittelchen), wurden die Eigenarten deutscher Dialekte scharfsinnig zerlegt. Darauf folgte eine abgefahrene Geschichte auf dem Planeten der Enten, bei der Nonnen zu Bären verwandelt wurden, Batman und Spiderman hintereinander den Freitod wählten, zwei Punkenten gegen den Staat, den Vater, Laktoseintoleranz, iPhones, Demokratie, Polizei und sonst alles waren. Zum Abschluss bestätigte das Entenhoroskop einer Besucherin viel Erfolg bei ihrem geplanten Hausbau. Klingt in Summe etwas durcheinander, hat aber, wie der Sachse zu sagen pflegt, gefetzt. Bevor wir zur letzten Show des Abends gingen, lauschten wir einem osteuropäischen Streicherinnen-Trio, das im kurzen Schwarzen mit ihren Adaptionen weltberühmter Rocksongs das Schaubudencafé zum Toben brachten. Es war ein optischer und musikalischer Genuss. Ich hoffe dass sie genug Geld eingespielt haben, um die angebrochene Violine standesgemäß ersetzen zu können. Den programmatischen Abschluss bildete eine Musikperformance eine Etage weiter oben. Normalerweise sind Saunen ja im Keller, in der Neustadt aber wohl in der Dachkammer. Dort spielten die Donnahues bzw. Tex.Ass Instruments auf. In einer wirklich verstörenden Art und Weise (laut, skurril, albtraumhaft, heiß, heißer, fast kochend) wurde die Sexualisierung amerikanischer Teenager und sonstige amerikanische Lebensweisen in Frage gestellt. So hab ich das zumindest ansatzweise empfunden. Wie fragt man so schön beim Deutschaufsatz: Was will uns der Autor damit sagen? Ich hatte keine Ahnung. War auf jeden Fall Geschmackssache, meinen hat es nicht getroffen, obwohl einige Elektrobeats schon ansprechenden Schall erzeugten. Völlig schweißgebadet konnten wir endlich die Dachkammer verlassen.

Insgesamt war es also wieder eine wunderbare Erfahrung, den Schaubudensommer in der Neustadt besucht zu haben. Trotz der gebotenen künstlerischen Qualität und Kreativität kennen erstaunlich viele Dresdner diese Perle des sommerlichen Dresdner Veranstaltungskalenders noch nicht. Denen sei gesagt: Reserviert euch den August 2015. Ich kann es jedenfalls kaum erwarten!


Fuji X100